Wie fremdgesteuert bewegen sich die Tänzer schwankend auf einer kleinen Bank, geraten in Schieflage, hängen in imaginären Seilen, an unsichtbaren Strippen. Sind es die Musiker, die als Marionettenspieler mit ihren Tönen die Bewegungen vorgeben? Ein Stück, das, ohne explizit politisch zu sein, ein hohes Potenzial zur Auseinandersetzung mit der heutigen Gesellschaft hat. 
Akteure und Orte
Künstler
(Instrumentalist*in)
Publikum
Raum

uBu ist ein multidisziplinäres Ensemble, das aktuelle Musik als körperliches und soziales Ereignis erlebbar macht. Frisch entstandene und längst existierende Kompositionen werden in unterschiedlichsten performativen Zusammenhängen präsentiert, gespielt, verkörpert, vertanzt, verhandelt, um so wechselnde Perspektiven zu ermöglichen und ungenutzte Potentiale zu aktivieren. uBu gründete sich 2016 in der Besetzung Klaviertrio + 3 TänzerInnen um Bernd Alois Zimmermanns Trio und ballet blanc „Présence“ neu zu interpretieren.

Anlässlich des Zimmermann-Jahres 2018 schrieb Vladimir Guicheff Bogacz im Auftrag der Stadt Köln ein weiteres Stück für uBus besondere Besetzung, die Choreografie entwickelte uBu-Mitglied Yves Ytier. Grundlage des Stücks sind die Kategorisierungen von Bewegung, die der Choreograph Rudolf Laban vorgenommen hat. Das bedeutet nicht, dass die Bewegungen selbst eine Rolle unabhängig vom Klang spielen, sondern ich möchte damit eine ganz konkrete Beziehung zwischen Bewegung und Klang hervorheben, und zwar auch dort, wo verschiedene Arten von Klängen mit derselben Art von Bewegung gekoppelt sind.

„La Palanca“ bedeutet „der Hebel“, und dieses Bild spielt eine zentrale Rolle im Stück, da es um eine Art von Balance (oder deren genaues Gegenteil) geht, die es ermöglicht, dass etwas sehr Schweres durch etwas sehr Leichtes ausgeglichen wird. Nicht nur ist Labans Theorie ein Versuch, Berührungspunkte mit dem Tanz zu finden; vielmehr basiert auch die Struktur des Stückes, insofern drei Tänzer an diesem Ballett beteiligt sind, auf den drei verschiedenen Summanden der Zahl 3, also einmal 3, oder dreimal 1, oder 1+2.“ (Vladimir Guichef Bogacz)

Wie fremdgesteuert bewegen sich die Tänzer schwankend auf einer kleinen Bank, geraten in Schieflage, hängen in imaginären Seilen, an unsichtbaren Strippen. Sind es die Musiker, die als Marionettenspieler mit ihren Tönen die Bewegungen vorgeben? (...)Wer dominiert wen? Wer konterkariert was? Ein Stück, das, ohne explizit politisch zu sein, ein hohes Potenzial zur Auseinandersetzung mit der heutigen Gesellschaft hat. 

Nathalie Gozdziak, hoertz24.de

Musikalisches Programm

Vladimir Guichef Bogacz (*1986) La Palanca

Besetzung

Anna Neubert, Violine

Esther Saladin, Violoncello

Christoph Stöber , Klavier

Magdalena Öttl, Tanz

Antonia Stäcker, Tanz

Yves Ytier, Choreografie + Tanz

Bisherige Aufführungen

Köln, Hochschule für Musik und Tanz, 05.04.2018

Köln, Hochschule für Musik und Tanz, 09.02.2019

Credits

In Kooperation mit 100 Jahre B.A. Zimmermann , Bernd-Alois-Zimmermann-Gesellschaft, gefördert durch Kulturamt der Stadt Köln, Musikfonds, ON Neue Musik Köln

 

Nachgefragt

Welche besonderen gestalterischen Mittel wurden eingesetzt und warum? Welches dramaturgische/szenische Konzept wurde verfolgt?

Dem klassischen Klaviertrio, das nur etwas weiter auseinander sitzt als gewöhnlich, sitzt ein Trio aus TänzerInnen gegenüber, den Rücken zum Publikum gewandt. Alle Akteure sind isoliert in ihrem eigenen Lichtkreis. Innerhalb dieser statischen, gleichbleibenden Anordnung kann so im Verlauf des Stücks ein wechselvolles Spiel mit der Balance zwischen Klängen und Bewegungen stattfinden, zwischen subtilster Klangerzeugung und roher Körperlichkeit, das lustvoll Extremzustände erkundet.

Beschreibt den künstlerischen und kreativen Entstehungsprozess.

Zunächst entstand die Komposition klassisch als Partitur notiert für Klaviertrio. Zusätzlich Vorgabe des Komponisten war die oben beschriebene Bühnenaufstellung. Die musikalische Einstudierung und die Kreation der Choreografie verliefen parallel, wobei die Choreografie als eigenständiger Kontrapunkt zur musikalischen Geste konzipiert wurde. Abschnittsweise wurde zunächst getrennt geprobt und dann in enger Absprache mit dem Komponisten Musik und Tanz zusammengesetzt.

Welche Erfahrungen in Bezug auf dieses Projekt könnt Ihr mit anderen teilen? Was war positiv, was war negativ? Was hat funktioniert, was nicht? 

In diesem Fall hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Komposition und Choreografie in verhältnismäßig kurzer Zeit dadurch funktioniert, dass ein klares Setting als Teil der Komposition vorgegeben war, die choreografische Ausgestaltung ansonsten aber weitgehend frei war. Es war und bleibt eine Schwierigkeit geeignete Probenräume zu finden, die einen Flügel und ausreichend Platz bieten.  

Welche Parameter haben Euch eingeschränkt, was war die größte Herausforderung? Wie seid ihr damit umgegangen?

Durch die besondere Bühnenaufstellung war die Kommunikation unter den MusikerInnen eine Herausforderung, da der Abstand recht groß war und es viele sehr feine Impulse im Stück gibt. Wir haben daher zur Gewöhnung den Abstand in den Proben schrittweise vergrößert. Aber seit Corona konnte natürlich viel Erfahrung im Spielen mit Abstand gesammelt werden.

Was habt Ihr persönlich aus diesem Projekt gelernt?

Dass ein formal starrer Rahmen für eine interdisziplinäre Stückentwicklung sehr hilfreich sein kann.